Die Zörbiger Saftbahn

Strecken - Geschehen von 1990 - 2001


Entwicklung nach 1990

Gehörten bis zur Wiedervereinigung Deutschlands meist vollbesetzte Personenzüge zum täglichen Bild, pendelten sie danach meist leer von Bitterfeld nach Stumsdorf und zurück. Parallele Omnibusverbindungen, die stark angewachsene Motorisierung, aber auch die Stilllegung nicht weniger Industriebetriebe führten zu dieser Situation.

Auch nach der politischen Wende, bildeten die Diesellokomotiven der BR V100 das Rückrad im Reisezugverkehr. Auch waren sie im Güterverkehr zu beobachten.

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Auch nach der politischen Wende, bildeten die Diesellokomotiven der BR V100 das Rückrad im Reisezugverkehr. Auch waren sie im Güterverkehr zu beobachten.

Die Deutsche Reichsbahn bediente die Strecke aber weiterhin mit elf Zugpaaren am Tage. Lediglich die Spät- und Frühzüge ersetzte man in der Folgezeit durch Omnibusse.

Aus Stumsdorf ist am 29.06.1991 die 110 140 auf dem Bahnsteig 5 des Bitterfelder Bahnhofes angekommen und wird nun vor dem Zug umsetzen. Hinter der Lok ist deutlich der Gepäckwagen zu erkennen, der noch bis 1992 im Zugverband mitlief.

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Aus Stumsdorf ist am 29.06.1991 die 110 140 auf dem Bahnsteig 5 des Bitterfelder Bahnhofes angekommen und wird nun vor dem Zug umsetzen.
Hinter der Lok ist deutlich der Gepäckwagen zu erkennen, der noch bis 1992 im Zugverband mitlief.

Noch 1990 sank der Güterverkehr rapide ab und errichte schnell den Nullpunkt. Lediglich zwischen 1994 und 1995 verkehrten nochmals montags bis freitags Übergabezüge zwischen Bitterfeld und Zörbig. Auf Flachwagen der Gattung Res waren zahlreiche Klärschlammcontainer zu transportieren. Diese anfänglich von Lokomotiven der Baureihe 346 und später von Maschinen der Reihe 202/204 gezogenen Übergabezüge bestanden meist aus vier bis sechs Waggons. Der Deutschen Bahn AG erschienen diese Leistungen zu unwirtschaftlich, so dass der örtliche Güterverkehr zum 31. Dezember 1995 endgültig eingestellt wurde.

Im Frühjahr 1994 startete die "Umweltgruppe Zörbig e.V." eine Befragung zur Zukunft des Schienenpersonennahverkehrs zwischen Bitterfeld und Stumsdorf. Eine überwältigend große Zahl von Anwohnern sprach sich hierbei für den Erhalt der "Saftbahn" aus.

Mit leichten Dieselsound, fährt die 201 006 mit ihrem kurzen Nahverkehrszug bei Heideloh an dem Betrachter vorbei.

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Mit leichten Dieselsound, fährt die 201 006 mit ihrem kurzen Nahverkehrszug bei Heideloh an dem Betrachter vorbei.

Die nachfolgende Fotoreportage gibt in beeindruckender Weise die Schönheiten, und verkehrstechnischen Veränderungen auf der Strecke Bitterfeld - Stumsdorf in den Jahren 1986 bis 1994 wieder. Bei genauer Beobachtung der nachfolgenden Bilder kann man Veränderungen erkennen die Hoffnung machen, auf den weiteren Bestand der Bahn im Landkreis Bitterfeld.

Nach dem erreichen des Endbahnhofes Stumsdorf, wird die 201 004 sich an das Zugende setzen.

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Nach dem erreichen des Endbahnhofes Stumsdorf, wird die 201 004 sich an das Zugende setzen.

Plandampf auf der "Saftbahnstrecke"

Im Bestreben der Deutschen Bahn AG zur Regionalisierung von Nebenstrecken war auch die Zukunft der Strecke Bitterfeld - Stumsdorf ungewiss. Jedoch blieb auch im Sinne der Anwohner und Nutzer der Bahnlinie zu hoffen, dass das 100-jährige Jubiläum der "Saftbahn" am 01.10.1997 feierlich begangen werden kann.  Um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf diese Strecke zu lenken, hatten sich engagierte Eisenbahnfreunde entschlossen, am Wochenende vom 20./21.05.1995 die Bespannung planmäßiger Personenzüge mit der in den sechziger Jahren in Bitterfeld stationierten Dampflokomotive 89 1004 zu organisieren.

Mit einer Plandampfveranstaltung machte 1995 der Eisenbahnverein Bitterfeld auf sich aufmerksam. So verkehrten planmäßige Personen- und Güterzüge mit Dampfbespannung, auf der Bahnstrecke.

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Mit einer Plandampfveranstaltung machte 1995 der Eisenbahnverein Bitterfeld auf sich aufmerksam. So verkehrten planmäßige Personen- und Güterzüge mit Dampfbespannung, auf der Bahnstrecke.

Deutsche Bahn AG und NASA bestimmen Nahverkehr auf "Saftbahn"

Durch die Zusammenführung der Deutschen Reichsbahn mit der Deutschen Bundesbahn im Jahr 1994 / 95 ging die Schienenverkehrsstruktur auf die neugegründete Deutsche Bahn AG über. Neuerungen gab es auch für den flächendeckenden Schienenpersonennahverkehr. Die Bundesländer sollten nun den bei der Deutschen Bahn AG den Nahverkehr bestellen und finanzieren.

Zunächst führte die Deutsche Bahn vom 28. Mai 1995 an fahrgastfreundliche Umsteigeverbindungen in Stumsdorf ein. Damit gehört die Bahnlinie Bitterfeld - Stumsdorf zu den wenigen Nebenstrecken im Land, die mit den Nahverkehrsangeboten auf anschließenden Hauptstrecken vertaktet wurden.

Spürbare Verbesserungen gab es in der Gestaltung der Bahnfahrpläne. Das Fahrplanjahr 1996 / 1997 bescherte der Strecke und den Bahnkunden ein dichtes Zugangebot. Von früh morgens bis spät abends fuhren die Züge zwischen Bitterfeld und Stumsdorf.

"Saftbahnfahrplan" aus dem Jahr 1995 / 1996. Damals konnte man noch bis spät Abends die Züge der Bahnstrecke benutzen.

"Saftbahnfahrplan" aus dem Jahr 1995 / 1996. Damals konnte man noch bis spät Abends die Züge der Bahnstrecke benutzen.

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"Saftbahnfahrplan" aus dem Jahr 1995 / 1996. Damals konnte man noch bis spät Abends die Züge der Bahnstrecke benutzen.

Am 18.09.1995 gründete die Landesregierung von Sachsen-Anhalt die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA) und ist somit eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Landes. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht in einem schwierigen verkehrspolitischen Umfeld innerhalb von Sachsen-Anhalt die Marktposition von Bussen und Bahnen weiter auszubauen. Dabei setzt die NASA auf:
- gute Verbindungen und Anschlüsse durch den Ausbau des Integralen Taktfahrplanes
- Pünktlichkeit der Züge, die durch Messstellen kontrolliert werden
- fahrgastfreundliche Fahrzeuge
- bequeme Umsteigemöglichkeiten durch die Umgestaltung von Bahnhofsvorplätzen

Vorbei an blühenden und duftenden Rapsfeldern, erreicht gleich der Triebwagen 628 588 den Haltepunkt Heideloh.

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Vorbei an blühenden und duftenden Rapsfeldern, erreicht gleich der Triebwagen 628 588 den Haltepunkt Heideloh.


"Saftbahn" feierte 1997 das 100-jährige Streckenjubiläum

Am 26. und 27. September 1997 wurde das 100jährige Bestehen der Strecke Bitterfeld - Stumsdorf unter einer Fahrzeugausstellung in Bitterfeld und dampflokbespannten Sonderzügen begangen. Sie bestanden aus einer Lokomotive der Baureihe 52 und drei Schnellzugwagen der Bauart Halberstadt. Da in Stumsdorf keine Lokomotive mehr umgesetzt werden können, erhielt der Zug am anderen Ende zusätzlich eine Maschine der Baureihe 202. Sie zog den Zug von Stumsdorf nach Bitterfeld.

Die Deutsche Bahn AG bot zum Streckengeburtstag, Dampfsonderfahrten auf der Strecke an. Das Angebot wurde von der Bevölkerung begeisternd entgegen genommen.

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Die Deutsche Bahn AG bot zum Streckengeburtstag, Dampfsonderfahrten auf der Strecke an. Das Angebot wurde von der Bevölkerung begeisternd entgegen genommen.

Ein weiterer Anziehungspunkt war eine "Parade" von Lokomotiven und Reisezugwagen in Bitterfeld, die auf den Gleisanlagen am ehemaligen Wasserturm zur Schau standen.

Auch der Philatelistenverein 1950 Zörbig e.V. beteiligte sich mit einer Briefmarkenausstellung in Stumsdorf an dieses schöne Ereignis und brachte eine passende Ganzsache (Postkate) heraus.

Der Philatelistenverein Zörbig, gab zum 100. Streckenjubiläum ein Postganzsache raus.

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Der Philatelistenverein Zörbig, gab zum 100. Streckenjubiläum ein Postganzsache raus.


Umbau des Bitterfelder Bahnhofs

Mit dem ersten Spatenstich am 21.04.1998 begannen die Umbauarbeiten auf dem Bitterfelder Bahnhofsgelände. Die bislang großenteils wüste, ungeordnete Fläche wich einer modernen, einladenden Anlage. Bereits 1997 hatte die Stadt Bitterfeld den dafür nötigen Grund und Boden gekauft und mit dem Abriss der baufälligen Schuppen begonnen. Das Land Sachsen-Anhalt beteiligte sich an den Kosten mit insgesamt etwa 3,5 Millionen Mark. Das sind 90 Prozent der förderfähigen Gesamtkosten. Das Geld kommt aus dem Schnittstellenprogramm des Landes, das von der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA) betreut wird. Mit dem Geld wurden ein Park-and-ride-Parkplatz nebst Taxistandplätzen, eine zum Verweilen ladende Grünfläche vor dem Empfangsgebäude der Bahn und ein neuer Busbahnhof geschaffen. Als erstes entstand ein neuer Parkplatz mit 48 Standflächen zum Lang- und 27 Standflächen zum Kurzzeitparken. Der neue Busbahnhof wurde im nördlichen Teil des Bahnhofsvorplatzes auf einer bisher ungegliederten Fläche gebaut. Auch das Empfangsgebäude wurde saniert. Die Fassade des Bitterfelder Bahnhofs erhielt einen neuen Farbanstrich. Die Bahnhofshalle wurde komplett neu gestaltet, und die Räume der ehemaligen Mitropa wurde vermarktet. Im Juni 1998 wurde mit der Neugestaltung aller 6 Bahnsteige und des Bahnsteigtunnels begonnen. In diesem Zusammenhang wurden zum Tunnel und zu den Bahnsteigen auch behindertengerechte Aufzüge eingebaut.

Kurz vor der Umgestaltung des Bitterfelder Bahnhofes, entstand dieses Bild am 30.11.1997. Damals war der Bahnhof bei den Fahrgästen und Durchgangsreisenden nicht beliebt.

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Kurz vor der Umgestaltung des Bitterfelder Bahnhofes, entstand dieses Bild am 30.11.1997. Damals war der Bahnhof bei den Fahrgästen und Durchgangsreisenden nicht beliebt.

Aus Sicht der NASA steigt die Bedeutung des Bahnhofes Bitterfeld auch im Nahverkehr. Der bewährte Stundentakt in die Richtungen Dessau, Leipzig, Wittenberg und Halle bleibt auch in der Zukunft erhalten. Auch für die Nebenbahnstrecke Bitterfeld - Stumsdorf wurde die Qualität durch den Umbau des Bitterfelder Bahnhofs verbessert.

Durch die Bahnsteig- und Tunnelerneuerung war es notwendig geworden, eine Behelfsbrücke zu installieren. Ein Triebwagen der BR 628 steht noch am alten Bahnsteig 6.

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Durch die Bahnsteig- und Tunnelerneuerung war es notwendig geworden, eine Behelfsbrücke zu installieren. Ein Triebwagen der BR 628 steht noch am alten Bahnsteig 6.

Die Umbauarbeiten auf dem Bahnhof brachten für den Bahnreisenden viele Erschwernisse, Behinderungen und Ärgernisse. So vielen des öfteren Züge aus oder wurden über andere Strecken umgeleitet. Auch mit den Verspätungen hatte die Deutsche Bahn AG zu kämpfen.

Dies betraf auch für die Bahnstrecke nach Stumsdorf. Auch hier Verspätungen, verärgerte, frustrierte Bahnkunden und verpasste Zuganschlüsse, waren damals die größten Probleme.

Bahnlinie für mehrere Monate gesperrt

Im Zusammenhang mit den Umbauarbeiten des Bitterfelder Bahnsteigs 5-6 und der Erneuerung der Einfahrgleise, setzte man ab 19.03.2000 einen Schienenersatzverkehr zwischen Bitterfeld und Sandersdorf ein. Die aus Richtung Stumsdorf bzw. Bitterfeld kommenden Fahrgäste mussten in Sandersdorf in den Zug bzw. in den Bus umsteigen. 

Zum Fahrplanwechsel am 28.05.2000 weitete die DB Regio AG, wegen der Anschlussgewährleistung in Stumsdorf, den Schienenersatzverkehr nun auf der ganzen Strecke aus. 

Nach Bahnsteigsanierung wieder Zugverkehr

Pünktlich zum 14.08.2000 wurde der neue Regionalbahnsteig 5-6 in Bitterfeld seinen Bestimmungen übergeben. Dadurch konnte der Schienenersatzverkehr zwischen Bitterfeld und Stumsdorf wieder aufgegeben werden. Der Bahnreisende hat durch die 75 cm hohe Bahnsteigkante einen optimalen Ein- und Ausstieg in die Züge des Nahverkehrs. Neben den Einbau eines Fahrstuhl, ließ die Deutsche Bahn AG den "Saftbahn"-Bahnsteig auf 40m Länge überdachen. 

Bahnhof Bitterfeld im August 2000 mit Triebwagen 771 044.

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Neuer Bahnsteig mit altem Zug.
Bahnhof Bitterfeld im August 2000 mit Triebwagen 771 044.


Regent-Konzept für Nebenstrecken in Deutschland

Mit eigenständigen Regionalbahnen will die Deutsche Bahn AG den Nahverkehr attraktiver und kostengünstiger gestalten. Ein Modell für die regionale Netzentwicklung sieht die Gründung von 37 eigenständigen Regionalbahnen vor. Sie sollen den Betrieb von Nebenstrecken mit einer Gesamtlänge von 9000 Kilometern übernehmen. Die Regionalbahnen könnten von der Nahverkehrstochter selbst, in Kooperation mit anderen Partnern oder ganz von Bahn-Wettbewerbern betrieben werden.

Verkehrsminister übt Kritik am Zustand der Nebenstrecken in Sachsen-Anhalt

Über den katastrophalen Zustand der Nebenstrecken in Sachsen-Anhalt beklagte sich Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Jürgen Heyer bei der Deutschen Bahn AG.

"Wer die Nebenbahn erhalten wolle, müsse auch die Nebenstrecken instand setzten und sanieren", sagte der Minister. Oftmals sind die Züge nur sehr langsam unterwegs, da der Schienenweg nicht in Ordnung ist.  Daher ist die Bahn AG gezwungen immer wieder neue Langsamfahrstellen einzurichten, die sich negativ auf die Fahrzeiten der Züge auswirken.

Leider fließt zu wenig Geld in die Nebenstrecken. Der Oberbau wird auch auf der "Saftbahn" immer maroder nd brüchiger.

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Leider fließt zu wenig Geld in die Nebenstrecken. Der Oberbau wird auch auf der "Saftbahn" immer maroder und brüchiger.
 

Alkalischäden behindern auf einigen Teilstrecken, den Betriebsablauf. So kann eine 1 Kilometer lange Strecke vor Stumsdorf nur noch mit 20 h/km befahren werden.

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Alkalischäden behindern auf einigen Teilstrecken, den Betriebsablauf. So kann eine 1 Kilometer lange Strecke vor Stumsdorf nur noch mit 20 h/km befahren werden.

Da das Land Sachsen-Anhalt die Züge bei der Deutschen Bahn AG bestellt, werden in den Bestell-Verträgen bestimmte Qualitätsleistungen ausgehandelt. Wird die gewünschte Qualität bzw. Leistung nicht eingehalten, kann das Bestellerentgelt an die Bahn AG gekürzt werden.

Zukunft der "Saftbahnstrecke"

Die SPD-Landesregierung hatte die NASA beauftragt auch weiterhin Schienenpersonennahverkehr auf dieser Strecke zu bestellen. Der schlechte Zustand der Strecke ist dem Land bekannt. Die Instandsetzung und Pflege der Stationen sowie die Beseitigung von Langsamfahrstellen wird vom Land gefordert, liegt aber in der Verantwortung der DB Netz AG und der DB Stationen & Service AG. Bislang hat die Bahn AG keine weiteren Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt. Das Land hofft nun, auf das Regionalisierungs-Konzept der Bahn. Denkbar wäre das ein Privatunternehmen, z.B. die Regiobahn Bitterfeld, die Strecke übernimmt. So könnte auch der Güterverkehr wieder belebt werden.

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