Die Zörbiger Saftbahn

Pressemeldung vom 18.08.2016


Ruine wird Traumhaus

Paar haucht Bahnhof Großzöberitz Leben ein

Der Bahnhof in Großzöberitz erwacht aus dem Dornröschenschlaf. Nach über zwei Jahrzehnten Leerstand glänzt die Fassade wieder. Auf dem neuen Dach glitzern Solarmodule in der Sonne.
Gregor Roth und Rebecca Rasem sind für ihr neues Eigenheim aus Stuttgart wieder weggezogen und haben das Gebäude vor dem weiteren Verfall gerettet. „Es war nie die Idee, einen Bahnhof zu kaufen“, sagt die 38-jährige Theaterwissenschaftlerin. „Aber es sollte immer etwas Besonderes sein. Jetzt hat sich ein Traum erfüllt“, ergänzt ihr Partner, der als Beleuchtungsmeister noch in Stuttgart arbeitet. „Wir wollten immer zurück in Richtung Nordost-Deutschland“, sagt sie. Dadurch sind Freunde und Verwandte in Berlin immer gut erreichbar. Potenzielle Arbeitsplätze gebe es für das Paar in der Region auch.

Paar steckt jede freie Stunde in den Bahnhof Großzöberitz

Seit dem Kauf stecken die beiden jede freie Stunde in den Bahnhof. Vergangenes Jahr haben sie im Garten gezeltet und tagsüber am Haus gearbeitet. „Am Anfang war alles einfach nur ein Wahnsinnsdreck. Das kann man sich gar nicht vorstellen“, blickt der 40-Jährige zurück.
40 Kubikmeter Sperrmüll entsorgten sie. Von den Wänden musste der alte Putz runter, Holzbalken und ganze Decken mussten ausgetauscht werden. Viele Dinge packen sie selber an, um Geld zu sparen und den KfW-Kredit bei der Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld so klein wie möglich zu halten.
„Man wächst auch mit seinen Aufgaben“, stellt Rebecca Rasem fest. Noch immer fehlt im Schlafzimmer und im Bad im obersten Stock der Fußboden. Im Wohnzimmer, das früher der Wartebereich für die Bahnreisenden war, zieren weiterhin alte Graffitis die Wand. Trotzdem können sie seit Anfang August endlich in ihren neuen vier Wänden wohnen und schlafen.

Zweifel und Rückschläge gab es genug
Für das Paar bedeutet der Aufwand eine Lebensaufgabe, die auch nach dem Einzug noch lange weitergeht. Aber sie haben schon so einige Tiefpunkte und Rückschläge gemeistert. Manchmal wurden Dinge teurer als geplant. Manchmal drohte ihnen das Gesamtprojekt über den Kopf zu wachsen. Aber zum Glück zweifelten sie nie gleichzeitig: „Wenn einer von uns die Krise bekam, dann hat ihn der andere wieder aufgebaut“, erzählt die 38-Jährige, die ihren Freund während ihrer Zeit in Berlin kennengelernt hat.
Anfang August begann ihr neuer Job an einem Leipziger Theater. Gregor Roth sucht ebenfalls in der Region nach Arbeit. Zunächst wird er aber wieder regelmäßig nach Stuttgart fahren und dort im Theater arbeiten. Im September beginnt die neue Saison in den Schauspielhäusern.
Bis dahin will er in Großzöberitz noch viel schaffen. Denn obwohl wieder Strom anliegt, Wasser fließt und die Toilette funktioniert, der Bahnhof gleicht innen noch immer einer Baustelle. Die Heizung muss noch vor dem Winter in Betrieb genommen werden. Warmes Wasser kommt bislang nur aus dem Wasserkocher. Und trotzdem sagen die beiden jetzt schon: „Wir fühlen uns hier voll gut, fühlen uns wie zu Hause und angekommen.“

Bahnhof Großzöberitz sollte schon mehrfach aufpoliert werden

Vor ihnen wollten schon andere Menschen die Immobilie aus dem Jahr 1897 wieder aufpolieren. 2011 ist der Bahnhof beispielsweise für 3.400 Euro versteigert worden. Ein junger Mann erzählte öffentlich von seiner Wohnvision am Großzöberitzer Saftbahn-Gleis. Danach wurde es wieder still. Auch die Gemeinde Großzöberitz erwog in den 90er Jahren einen Kauf. Aber auch dieser Gedanke wurde nie realisiert. Seither wucherte das Gebäude mehr und mehr zu. Die Bahn hatte schon lange kein Interesse mehr an dem Haus.
2002 wurde der Personenverkehr auf dem Gleis zwischen Bitterfeld, Zörbig und Stumsdorf eingestellt. Heute rollen nur noch gelegentlich Güterzüge auf der Strecke zwischen Verbio, dem Zörbiger Gewerbegebiet und Bitterfeld. Dann grüßen die Lokführer auch die beiden Neulinge in Großzöberitz. Sie heben vor allem den Daumen, wenn sie am sanierten Haus vorbeirollen.

Anwohner in Großzöberitz begeistert vom Bahnhofsumbau

Im Ort herrscht ebenfalls große Freude, dass ein Schandfleck verschwunden ist: „Das Haus ist ein richtiges Schmuckstück geworden, alle bewundern und bestaunen es“, berichtet Ortsbürgermeisterin Adelheid Reiche. Die neuen Großzöberitzer haben seit ihrem Kauf im April 2015 sogar schon einige Führungen durch ihr neues Haus gemacht – für Verwandte, Freunde und Leute aus dem Dorf. „Das gehört einfach dazu“, sagt Gregor Roth.

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Foto: MZ: A.Kehrer
Gregor Roth und Rebecca Rasem hauchen dem Bahnhof Großzöberitz wieder Leben ein. Sie haben ihn im April 2015 gekauft.
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Ein paar Decken fehlen noch im Haus.
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Das Wohnzimmer war einst die Bahnhofs-Wartehalle.

Mitteldeutsche Zeitung „ Bitterfelder Zeitung“, Großzöberitz/MZ, von Stefan Schröter, Ausgabe 18.08.2016

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