Kunst an den Gleisen
Bahnhof Tannepöls wird zum Raum für künstlerische Ideen
Wir simulieren eine Zukunft. Das klingt schon einmal aufregend, besonders in den Ohren vieler Kunst- und Kulturinteressierter der Region. Für Gregor Roth sieht die Zukunft des Bahnhofs Tannepöls in Großzöberitz innovativ und gleichzeitig gemeinschaftsorientiert aus. Als Freiraum für kulturelles Leben im Raum Zörbig soll das Gebäude Platz für vielfältige Ideen bieten, die dann unter dem Dach einer interdisziplinären Begegnungsstätte ablaufen.
Obwohl im Haus nach den 2015 begonnenen Sanierungsarbeiten noch vieles provisorisch läuft, fasste Roth den Entschluss, seinen Zukunftsplan für vorerst einen Tag lang real und erfahrbar zu machen. Am Samstag lud der Beleuchtungsmeister zu einem Informationstag ein.
„Der heutige Tag ist ein Feldversuch. Wir wollen schauen, wie die Resonanz ist. Vor allem von Künstlern aus der Region“, so Roth. Und die Resonanz war da: Sven Göttsche und seine Frau hatten sich aus Rösa auf den Weg gemacht, um das Projekt unter die Lupe zu nehmen. „Wir könnten hier so etwas gebrauchen“, meinte Göttsche, der selbst in der Region ausstellt.
Komplettpaket aus besonderem Gelände entlang der Schienen und einer entspannten Gruppe an Künstlern
An diesem Tag war es wohl das Komplettpaket aus besonderem Gelände entlang der Schienen und einer entspannten Gruppe an Künstlern voller Ideen und Einsatz, das Roth eine positive Bilanz ziehen ließ. Neben den Gleisanlagen lief handgemachte Musik von „A shady character“ aus Braunschweig und anderen DJs aus Berlin und Frankfurt. Martin Kickelbick und Tonia Klodt hatten einen Beitrag aus der Clownerie und Akrobatik mitgebracht.
Viele befreundete Künstler und Künstlerinnen hatten sich aus Bremen, Bochum, Braunschweig oder Berlin auf die Reise nach Großzöberitz begeben. So auch die niederländische Malerin Lotte Leerschool, die sich mit ihren mitgebrachten Bildern ganz spontan an die örtlichen Gegebenheiten anpassen musste. „Ich habe nur einige Fragmente des Bildes herausgenommen, die in den Raum hineinpassen“, erklärte Leerschool, die mittlerweile in Berlin lebt. Neben ihrer eigenen Ausstellung zeigten sich die Künstler auch daran interessiert, wie es um die Resonanz im Ort steht. Wollen die Leute so ein Projekt? Wie kommt das an, was wir machen?
Vereinsbildung für das Projekt Bahnhof in Aussicht gestellt
Einer, der die Zukunfts- und Ideenwerkstatt gut findet, ist Joachim Füchsel, der die wahrscheinlich engste Verbindung zum Bahnhof hat. Bei einem Rundgang durch das Haus erkennt er sein Kinderzimmer wieder: „Hier wurde ich 1938 geboren.“ Seit er mit seiner Familie 1992 auszog, hatte sich nie wieder die Möglichkeit ergeben, einmal in das Haus zu schauen.
Um dem Projekt einen greifbaren Rahmen zu geben, streben Roth und seine Lebensgefährtin eine Vereinsgründung an. Durch den Einsatz und die Vielseitigkeit der Mitglieder sollen hier zukünftig künstlerische Workshops, Konzerte oder Ausstellungen stattfinden, die die kulturelle Infrastruktur des ländlichen Raums stärken sollen. Welcher Ort wäre da wohl symbolträchtiger als ein Bahnhof?
Mitteldeutsche Zeitung „ Bitterfelder Zeitung“, Großzöberitz/MZ von Juliane Nentwig, 27.08.2019