Die Zörbiger Saftbahn

Pressemeldung vom 20.04.2009


Viele Hersteller fürchten um ihre Existenz

Bundesregierung will eine geringere Beimischung - «Das ist eine Politik aus dem Tollhaus» - Donnerstag im Bundestag

Die geplante Absenkung der Beimischungsquoten für Biokraftstoffe sorgt in der Branche für Empörung. "Das bedeutet für einen Großteil der 40 Hersteller das Aus", erklärte Sebastian Schöbel, Sprecher des Verbandes der Biokraftstoffindustrie. Besonders betroffen wäre Sachsen-Anhalt. Die Absenkung der Quoten soll am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden.
Bitterfeld, Halle, Magdeburg, Wittenberg, Tangermünde, Zeitz, Zörbig. In den vergangenen Jahren bauten zahlreiche mittelständische Unternehmen in Sachsen-Anhalt große Raffinerien zur Herstellung von Biosprit aus pflanzlichen Rohstoffen. Die Einweihung der Anlagen wurde meist von ranghohen Politikern begleitet. Biodiesel und Bioethanol galten als chic, vermindern die Bio-Kraftstoffe doch die Abhängigkeit von Öl-Importen.

300 Millionen investiert

"Fast 300 Millionen Euro haben wir in den vergangenen Jahren investiert", sagt Claus Sauter, Chef des Leipziger Herstellers Verbio mit Werken in Bitterfeld und Zörbig. Nun steht die Wirtschaftlichkeit der Anlagen in Frage. "Die ganzen politischen Bekundungen zur Ökologie waren nur Lippenbekenntnisse", ärgert sich Sauter.

Was den Verbio-Chef und andere Branchenvertreter in Rage bringt, ist die geplante Absenkung der Beimischungsquoten für Biokraftstoffe. Mineralöl wird seit Jahren Biosprit beigemischt - Biodiesel bei Diesel und Bioethanol bei Benzin. Am Donnerstag will nun der Bundestag mit den Stimmen von SPD und CDU beschließen, dass deren Anteil am Kraftstoff von 6,25 Prozent auf 5,25 Prozent sinkt.

Das Marktvolumen für Biodiesel würde damit von zuletzt 2,7 Millionen Tonnen auf rund zwei Millionen Tonnen sinken, rechnet der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie vor. "Für einen großen Teil der rund 40 deutschen Hersteller bedeutet dies das Aus", sagt Verbandssprecher Sebastian Schöbel. Dieses Vorgehen sei unverständlich, zumal die Quote im nächsten Jahr wieder auf 6,25 Prozent angehoben werden soll.

Sachsen-Anhalt würde dies besonders treffen. Im Land befinden sich laut Wirtschaftsministerium 16 Prozent der deutschen Produktionskapazitäten für Biodiesel und 61 Prozent der gesamtdeutschen Bioethanolproduktion.

Vor allem für die Biodiesel-Hersteller spitzt sich die Lage zu. "Durch die Besteuerung von reinem Biodiesel ist in den letzten Jahren schon ein Markt komplett verschwunden", sagt Reinhard Kluge, Chef der Bio-Ölwerke Magdeburg. Die Branche sei nun von der Beimischung abhängig. "Wir sind in unserer Existenz bedroht", sagt Kluge. Denn die großen Mineralöl-Konzerne würden nun den mittelständischen Biokraftstoff-Herstellern die Preise diktieren. Schon jetzt liege die Auslastung der Anlagen in Magdeburg bei nur rund 50 Prozent. Verbio kommt nach eigenen Angaben momentan noch auf 70 Prozent.

Das erst Mitte 2007 eingeweihte 85 Millionen Euro teure Biodieselwerk von Gate Global Alternativ Energie in Wittenberg hat seine Produktion nie richtig hochgefahren. Anfang April wurde das Werk an die französische Dreyfuss-Gruppe verkauft.

Sowohl in den Bundestagsfraktionen von SPD und CDU als auch im Bundesumweltministerium will sich derzeit zu dem Thema niemand öffentlich äußern. Biosprit hat in den Augen der Politik seit der "Tank-oder-Teller-Debatte" erheblich an Glanz verloren. Umweltverbände haben eine Diskussion entfacht, ob Lebensmittel wie Raps und Weizen angesichts des Hungers auf der Welt zu Sprit verarbeitet werden dürfen. Durch die Reduzierung der Beimischung will die Bundesregierung nun den Ausbau der Kapazitäten verhindern.

BUND kritisiert Öko-Bilanz

Der Umweltverband BUND fordert, die Beimischung auf Null zu setzen. "Die Öko-Bilanz der alternativen Kraftstoffe ist schlecht", sagt Reinhild Benning vom BUND. Vielfach würden Regenwälder abgeholzt, um Pflanzen für Biosprit anzubauen, der dann nach Europa importiert wird.

Die Biosprit-Produzenten kommen zu ganz anderen Ergebnissen: Sie sehen ausreichend nachhaltig produzierte Biomasse vorhanden, um die derzeitige Quote aus heimischen und europäischen Quellen zu füllen. "Die Landwirtschaft in der EU hat allein durch die Aufgabe von Stilllegungsflächen Überschüsse von 50 Millionen Tonnen produziert", rechnet Verbio-Chef Sauter vor. Die "Tank-oder-Teller-Debatte" sei eine völlige Fehlinterpretation der Lage. Sauter vermisst stabile Rahmenbedingungen, welche die Hersteller für ihre Investitionen brauchen: "Was derzeit passiert, ist Politik aus dem Tollhaus".

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Mineralöl wird seit Jahren Biosprit beigemischt - Biodiesel bei Diesel und Bioethanol bei Benzin. Am Donnerstag will der Bundestag beschließen, dass deren Anteil am Kraftstoff von 6,25 Prozent auf 5,25 Prozent sinkt.
   

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, Halle/MZ, Steffen Höhne, 20.04.2009

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