Bahnhof unterm Hammer
\"Zum Ersten, zum Zweiten und zum . . . \", so wird Auktionator Matthias Knarke am Freitagnachmittag wieder durch den voll besetzten Meistersaal des Berliner Borsigturms rufen. Dann kommen 50 Bahnhöfe aus dem gesamten Bundesgebiet unter den Hammer. Darunter befindet sich auch das ehemalige Bahnhofsgebäude in Sandersdorf.
\"Das Mindestgebot liegt bei 7 000 Euro\", sagt Knarke. \"Es ist schwer abzuschätzen, wie hoch der Preis getrieben wird. Aber der Höchstbietende erhält dann etwa 270 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche auf einem 1 000 Quadratmeter großen Grundstück.\"
300 Bahnhöfe bereits verkauft
Seit dem Jahr 2010 hat das Auktionshaus Karhausen nach eigenen Angaben etwa 300 ehemalige Empfangsgebäude der Deutschen Bahn versteigert. \"Die Höhe des Mindestgebots richtet sich hierbei immer nach der Lage, der Größe und dem Zustand der Gebäude.\" Während das Auktionslimit für das Bahnhofsgebäude in Beetzendorf (Altmarkkreis Salzwedel) beispielsweise bei 1 000 Euro liegt, muss man für das Empfangsgebäude in Schleswig (Kreis Schleswig-Flensburg) mindestens 129 000 Euro auf den Tisch legen. In Anbetracht dieser Spanne sei der Sandersdorfer Bahnhof daher ein Schnäppchen.
Doch eine Frage stellt sich zwangläufig: Wenn ein Bieter den Zuschlag erhält, was macht er dann mit dem Gebäude? Allein im Altlandkreis Bitterfeld gibt es mit den Bahnhöfen in Muldenstein und Wolfen zwei Immobilien, die seit Jahren leer stehen und immer weiter herunterkommen (die MZ berichtete).
\"Es gibt unterschiedliche Nachnutzungskonzepte\", meint Auktionator Knarke. \"Bahnaffine Privatleute gehören zur klassischen Klientel. Für vergleichsweise wenig Geld erhalten sie ein Gebäude mit ordentlicher Substanz. Die bauen die Bahnhöfe nach ihren Vorstellungen aus und wohnen dann darin.\" Es gebe aber auch Handwerker oder Künstlergruppen, die einen alten Bahnhof als Werkstatt oder Atelier nutzen. \"Aufgrund ihrer Lage eignen sich die Gebäude als Lager- oder Gewerberäume.\" Dann gebe es aber auch noch die \"modernen Immobilieninvestoren\", die ein ehemaliges Empfangsgebäude der Deutschen Bahn schlichtweg als \"Anlageobjekt\" sehen.
Ob nun aber ein Privatmann, ein Handwerker oder gar ein Spekulant den Sandersdorfer Bahnhof ersteigern wird, könne man im Vorhinein schwer abschätzen. Dass der oder die gewerblichen Interessenten allerdings vom Personenverkehr der Deutschen Bahn profitieren, ist ausgeschlossen, denn die Strecke von Stumsdorf nach Bitterfeld wurde bereits Mitte 2004 stillgelegt. Seit dem Jahr 2006 wird sie von der Zörbiger Infrastrukturgesellschaft als Anschlussbahn zwischen Bitterfeld und Zörbig betrieben.
Soviel zum Hintergrund. Aber wie kann man sich nun an der Bahnhofsversteigerung beteiligen? \"Die Bieter können persönlich, schriftlich oder telefonisch teilnehmen.\" Da die Versteigerung um 14 Uhr beginnt und der Sandersdorfer Bahnhof erst auf Platz 17 unter den Hammer kommen soll, muss man jedoch ein wenig Geduld mitbringen.
In Hunderterschritten versteigert
Doch dann gehe es in \"vollen Hunderterschritten\" los. \"Das heißt: Jedes Handzeichen treibt den Preis in die Höhe.\" Allerdings sei alles möglich. \"Es kann sein, dass der Bahnhof zum Startpreis versteigert wird. Es kann aber auch sein, dass er das Zehnfache bringt.\" Dann heißt es: Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten.
Die Versteigerung der 50 ehemaligen Bahnhofgebäude beginnt am Freitag um 14 Uhr im Meistersaal des Berliner Borsigturms, Am Borsigturm 1.
-Informationen-
Versteigerung
HALLE (SAALE)/MZ. Das Auktionshaus Karhausen ist seit 1991 tätig und hat nach eigenen Angaben mehr als 9 200 Objekte bundesweit unter den Hammer gebracht. Neben dem Sandersdorfer Bahnhofsgebäude stehen mit Jessen, Beetzendorf, Tangermünde und Arendsee noch vier weitere ehemalige Bahngebäude aus Sachsen-Anhalt bei der Auktion zum Verkauf.
Die Sandersdorfer Immobilie besteht aus einem Keller-, Erd-, Ober- und Dachgeschoss. Es handelt sich um einen Klinkeraltbau. Das Baujahr ist unbekannt. Die Ausstattung ist nach den Unterlagen des Auktionshauses einfach. Allgemein wird der Zustand als sanierungs- und modernisierungsbedürftig eingestuft.
Mitteldeutsche Zeitung, Sandersdorf/MZ, DETMAR OPPENKOWSKI, Ausgabe 06.12.2012