Die Zörbiger Saftbahn

Pressemeldung vom 26.06.2013


Neuer Besitzer will nicht mehr

Der Schreiner Viktor Flora hat im März den Zörbiger Bahnhof gekauft. Zunächst spricht er von Wohnungen und einem Biergarten, jetzt vom Verkauf.

Die Ambitionen waren groß. Doch inzwischen sind sie verflogen. Die Arbeiten am Zörbiger Bahnhof ruhen. \\\\\\\"Ich komme vielleicht nächste Woche noch einmal wieder, um ein paar Glasscherben zusammenzufegen\\\\\\\", sagt Viktor Flora am Telefon. Viel ist das nicht. Der Ludwigshafener will sich aber noch um das Dach kümmern, das immer noch undicht ist. Das würde das Gebäude für einen weiteren Verkauf interessanter machen.

Im März hatte Flora den Zörbiger Bahnhof von der Bahn gekauft und sofort mit ersten Aufräumarbeiten begonnen. Heute spricht er nur noch von möglichen Interessenten, die das Gebäude in Zörbig von ihm kaufen wollen. Welche, das ist unklar. Der marode Zustand des Gebäudes hatte dem Schreiner von Anfang an Sorgen bereitet. \\\\\\\"Es war schon ein kleiner Schock, als ich das erste Mal drin war. Das Gebäude ist doch erheblich beschädigt.\\\\\\\" Gesehen hat er den Bahnhof erstmals nach dem Kauf.

Und schon der Anfang im neuen Heim gestaltete sich kompliziert, denn eine Schlüsselübergabe gab es nicht. \\\\\\\"Ich hätte die Schlüssel für zwei Vorhängeschlösser in Dresden abholen können. Aber das war mir zu blöd, also habe ich die Schlösser geknackt\\\\\\\", erzählt Flora. Zuerst setzte er mit der Eisensäge an, dann nahm er die Zange, um seine neue Immobilie betreten zu können.

Es folgte das große Aufräumen. Seine ganze Familie reiste an. An den Grundstücksgrenzen stellte er provisorische Zäune auf, damit die Zörbiger nicht mehr das Gelände passieren, so wie sie es aus den letzten Jahrzehnten gewohnt waren.

Viktor Flora wollte mit seinem Sohn und dessen Familie nach Zörbig ziehen. Er sprach von neuen Wohnungen für Montage-Arbeiter, einem Biergarten vor dem Gebäude und vielleicht auch einem Restaurant, sofern sich ein Betreiber finden würde. Aber jetzt ist alles anders. \\\\\\\"Für mich ist es nicht lebensnotwendig, das Objekt zu behalten\\\\\\\", sagt Flora heute. Er fürchtet einen hohen finanziellen Aufwand bei der Sanierung. \\\\\\\"Natürlich bin ich Handwerker und kann das hinkriegen, aber wenn sich jemand findet, dann verkaufe ich auch wieder\\\\\\\", so der Schreiner.

Die Stadt Zörbig würde dem neuen Besitzer gerne zur Seite stehen, denn in der Verwaltung wäre die Freude groß, wenn das historische Bahnhofsgebäude nicht weiter verfallen müsste. Finanziell biete sich zwar kein Spielraum, \\\\\\\"aber wir versuchen, ihm zu helfen, wenn er Fragen hat\\\\\\\", kündigte Bürgermeister Rolf Sonnenberger (Bürger für Zörbig/Wählerliste Sport) an.

Kommt ein Weiterverkauf der Immobilie nicht zustande, dann will Flora nach eigenem Bekunden aber wieder alle Hebel in Zörbig in Bewegung setzen und weiter sanieren. Schließlich hat er schon viel Geld in den Bahnhof investiert. Nach etwas Neuem habe er sich jedenfalls noch nicht umgeschaut. \\\\\\\"Solche alte Bausubstanzen machen mir Freude\\\\\\\", erzählt Flora. \\\\\\\"Und wenn ich sie wieder aufbaue, dann noch mehr.\\\\\\\"

Der Anfang ist ja bereits getan. Der Elektriker war da. Wasser kommt auch wieder aus einigen Hähnen. Und die alten Kachelöfen funktionieren noch und spenden an kühleren Tagen Wärme, an denen Flora in dem Gebäude arbeitet oder schläft. \\\\\\\"Es ist schön ruhig\\\\\\\", wie er sagt. Doch ob er das noch einmal genießt, steht in den Sternen.


++ Gebäude ++

Seit 1994 ungenutzt

Die Deutsche Bahn hat den Zörbiger Bahnhof im Zuge von Reformen nach der Wende aussortiert, da er im Streckennetz nicht mehr gebraucht wurde. Danach ging der Bahnhof samt Empfangsgebäude, Güterschuppen, Ladestraße und kleineren Nebengebäuden in den Besitz des Bundeseisenbahnvermögens über. Die Behörde hatte seit 1994 versucht, über eine Ausschreibung das 11 335 Quadratmeter große Areal zu verkaufen. Nach Informationen des Bundeseisenbahnvermögens ist das Gebäude nicht denkmalgeschützt.


KOMMENTAR

Nicht die Segel streichen

Der neue Besitzer des Zörbiger Bahnhogs sagt, dass er Freude hat mit alten Bausubstanzen. Das Gebäude mit den über 11000 Quadratmeter großen Areal ist aber ein dicker Brocken und die Freude kann einem schnell vergehen, wenn man die Löcher im Dach sieht und die alten Tapaten, die vom Regen durchweicht sind. Das ist verständlich.
Doch man sollte beim eigenen Vorhaben nicht zu schnell die Segel streichen, besonders wenn der Erwerb bereits passiert ist. Es ist sicherlich schwierig, in einer Stadt, in der man vorher noch nie gewesen ist, anzukommen und einen Bahnhof herzurichten, ohne Firmen oder Nachbarn als Ansprechpartner zu kenne. Deswegen sollten alle Zörbiger versuchen, den Schreiner bei seinem Vorhaben zu unterstützen, auch wenn beim ersten Kontakt nicht alles gleich glatt läuft. Damit Zörbig bald ein Schmuckstück mehr hat und ein verfallendes Gebäude weniger. Es ist schwer zu glauben, dass sich ein weiterer Interessenten für das Gebäude findet, wenn die Bahn seit knapp 20 Jahren versucht hat, den Bahnhof zu verkaufen.
Dessen Ausbau kostet sicherlich viel Geld. Aber es passiert einfah viel zu selten, dass sich jemand um von der Bahn verlassene Gebäude kümmert, um sie wieder nutzbar zu machen. Viel zu oft verfallen die Gebäude mehr und mehr.

von: Stefan Schröter

Pressebild    
Foto: MZ
Mit provisorischen Zäunen begrenzt der Schreiner sein neues Grundstück.
   

Mitteldeutsche Zeitung Anhalt-Bitterfeld, Ausgabe 26.06.2013, ZÖRBIG/MZ

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