Das ist nicht von Pappe
PAPIERFABRIK Die Baustelle des Millionenprojekts nimmt Konturen an. Im August 2020 ist Produktionsstart
Es sei ein sehr großer Brocken, sagt Peter Resvanis über das, was auf der Wiese vor Sandersdorf in 18 Monaten emporwächst. „Sportlich in der Kürze der Zeit.“ Und mit 375 Millionen Euro nicht von Pappe: Die Progroup AG aus Landau, nach eigenen Angaben europäischer Marktführer für Wellpappformate, baut dort eine Papierfabrik.
Resvanis, Leiter der Wachstumsprojekte Papier der Firma, ist der, der die Fäden des Vorhabens zusammenhält. Und das sind eine Menge: Auf einer Fläche von sage und schreibe 44 Hektar entsteht das Werk – mit modernster Technik, mit Gleisanschluss und Umspannwerk, mit ausgeklügeltem Wasser- und Abwassersystem. Ressourcenschonend und nachhaltig – das ist die Philosophie des Familienunternehmens. 150 Leute haben hier Arbeit, wenn im August 2020 die Anlage anläuft und dann rund um die Uhr in Betrieb ist.
Rasant geht es auf der Baustelle zu. Viele Arbeiten laufen parallel. Sind am Grundstückszaun zur B 183 noch die letzten Trupps beim Munitionssuchen, haben die Vermesser längst ihr Werk getan, Bagger bereits einen Großteil der Baugrube ausgehoben, Elektriker Stromleitungen für die Baustelle verlegt und sechs Trafohäuschen installiert, Bauarbeiter sogar schon die ersten Fundamente für die weltweit größte Papiermaschine gegossen.
Der Beton kommt aus einem mobilen Mischwerk, das 1000 Tonnen pro Tag ausspuckt. Die Ausleger von vier riesigen Kränen drehen sich in „Da oben hätte ich die Buxen voll“ –Höhe, wie Resvanis sagt, über dem Platz, auf dem die Produktionshalle stehen wird. Wie Spielzeug hängen Schalungen und Bewährungsstahl am Haken. Kipper transportieren Sand aus der Baugrube. Die ist im hinteren Teil noch nicht ausgehoben.
Haiko Schult ist auf der Baustelle der Boss. Den Platz kennt der Bauleiter von Schuster Engineering aus Neuburg wie das Einmaleins. Den Plan, wann wo was zu machen ist, auch. Noch ist die Anzahl der Firmen und Menschen überschaubar. Zur Spitzenzeit werden rund 1500 Leute hier arbeiten. Die Zeit drängt, der August 2020 ist schnell da. „Es gibt keinen Grund zu warten“, sagt Maximilian Heindl, Sohn des Firmengründers und Verantwortlicher für die laufenden Projekte von Progroup, freundlich aber bestimmt. Der Markt wartet nicht.
750 000 Tonnen Papier werden pro Jahr aus Recyclingmaterial in der Fabrik in Sandersdorf gewonnen. Eine Tonne Altpapier, erklärt Resvanis, erspart zehn schlagreife Bäume. Das ist ökologisch gedacht, stellt aber besondere Anforderungen an die Verarbeitung. „Jede Verunreinigung muss aus dem Altpapier raus, sonst gibt´s Mängel im neuen Papier“. Wer, wann nicht er, weiß das wohl am besten? Peter Resvanis ist Papiermachermeister und seit über 30 Jahren in der Branche, seit 15 Jahren bei Progroup. Vier große Fabriken hat er schon mit in Betrieb genommen, war Projektleiter und nun der Chef vor Ort. Er lacht und schüttelt den Kopf. „Was man mit 52 noch lernen kann“, meint er, „von der Archäologie bis zum Anfahren – das ist extrem umfangreich.“
Der Standort ist für Progroup in den Fokus gerückt, weil er „wie gemacht ist für uns“, sagt Heindl. „Die Bedingungen sind ideal und die Lage auch“. Die Wege zu den Wellpappenwerken der Firmengruppe, für die das hier produzierte Braunpapier Ausgangsprodukt ist, seien kurz. Auch der Weg Richtung Osteuropa, wo die Konsum-Märkte schneller wachsen als anderswo. Und wo Wellpappe, Kerngeschäft von Progroup, als alternative Verpackung zu Styropor gefragt ist. „Wir bewegen uns auf einem Zukunftsmarkt. Man wird nicht morgen aufhören zu verpacken“, meint er fröhlich.
Mitteldeutsche Zeitung „ Bitterfelder Zeitung“, Sandersdorf/MZ von Christine Färber, 28.03.2019