Ausschuss votiert für Saftbahn-Variante
GLEISANSCHLUSS Mitglieder haben sich Entscheidung nicht leicht gemacht. Die empfehlen sie dem Stadtrat, der hat das letzte Wort
Wo entlang soll die Gleisstrecke verlaufen, die das Sandersdorfer Industriegebiet Stakendorfer Busch an das bestehende Bahnnetz anbindet? Diese Entscheidung muss jetzt getroffen werden, denn im August 2020 wird die Papierfabrik von Progroup im Gewerbegebiet die Produktion aufnehmen. Und die braucht das Anschlussgleis.
Emotionale Debatte
Der Wirtschafts-, Bau- und Ordnungsausschuss von Sandersdorf-Brehna hat sich deshalb erneut mit dieser Frage befasst. Und hat nach langer und tiefgreifender, oft auch emotionaler Debatte, in der Für und Wider ausgelotet wurden, mehrheitlich die Streckenführung durch den Stakendorfer Busch zur Saftbahn favorisiert. Dieses Votum, so Ausschussvorsitzender Andreas Wolkenhaar (CDU), wird der Ausschuss dem Stadtrat kommende Woche als Entscheidungsvorschlag geben.
Damit würden die Züge allerdings auch durch die Stadt rollen. Und: Im Stakendorfer Busch müsste rund ein Hektar Fläche gerodet, das Zweifache davon anderswo aufgeforstet werden.
Die zweite Variante, die zur Debatte steht, führt die Gleise über die einstige Deponie Hermine
und schließt dann an das Netz der Regiobahn (RBB) an. Sie führt also weit um Sandersdorf herum. Bei dieser, in vorigen Stadtratssitzungen bereits in Betracht gezogenen Variante gibt es aus Sicht der Fachleute allerdings eine große Unbekannte: Kann die Deponie dieser Belastung überhaupt standhalten?
Laut Eigentümer MDSE gebe es bislang keinerlei Erfahrung mit einer überbauten Deponie. Zudem: Die Kosten für den Bau der Gleisstrecke würden explodieren. Hier sagt auch die Firma Progroup, die als Nutzer ein jährliches Entgelt zum Unterhalt zahlen muss: Stopp! Der Papierhersteller will freilich die günstigste Variante.
Wie das externe Planungsbüro, dem die Verwaltung im Auftrag des Stadtrates eine Risikobewertung der Gleisführungsmöglichkeiten übertragen hatte, beschreibt, liegen Welten zwischen den beiden Varianten - sowohl vom Aufwand her als auch von der Finanzierung. Während Variante eins rund sieben Millionen Euro Investitionskosten umfasst, die zu 80 oder gar 85 Prozent förderfähig sind, ist für Variante zwei mehr als das Dreifache an Geld nötig. Auch die Förderung wäre geringer.
„Ich bin sofort dafür, den Schienenverkehr aus Sandersdorf rauszuhalten, wenn’s geht“, sagt Wolkenhaar. „Aber dann müssten wir ein Konstrukt aus Variante eins und zwei machen, um das zu schaffen. Und ehrlich: Ist es uns das wert, für ein bis maximal drei Züge am Tag das viele Geld aufzubringen? Wir würden uns im Schwarzbuch der Steuersünder wiederfinden.“
Neue Chancen für die Stadt
Für die Nutzung der Saftbahn-Strecke spricht für den Ausschuss noch etwas ganz anderes. Laut Bürgermeister Andy Grabner (CDU) laufen Gespräche, dass über das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ eine Bahn-Direktverbindung nach Köthen sowie zur S-Bahn Bitterfeld-Leipzig in Aussicht steht. Das würde die Stadt voranbringen, sie könnte sich weiter profilieren. „Wir sollten diese Chance betrachten“, so Chris Henze (SPD), „mit Variante zwei werden wir die niemals haben.“
Für Hans Schellenberg (AfD) ist das alles gar keine Frage. „Eine Schiene nehme ich doch nicht aus dem Ort raus“, sagt er, „wir wollen Industrie und Arbeitsplätze und Steuern.“ Auch deshalb, so Wolkenhaar, seien die meisten im Ausschuss für Variante eins.
Foto: André Kehrer Die Papierfabrik wächst in rasantem Tempo. Sie braucht dringend den versprochenen Gleisanschluss. |
Mitteldeutsche Zeitung „ Bitterfelder Zeitung“, Sandersdorf/MZ/ von Christine Färber, 18.10.2019