Die Zörbiger Saftbahn

Pressemeldung vom 05.02.2021


Tränen ums Biotop

INFRASTRUKTUR Um ein Baugebiet im Stadtkern zu beräumen, mussten Linden weichen. Warum die Anwohner dabei zwiegespalten sind.

Annelies Gossert kann nicht verhindern, dass ihr bei dem Thema die Tränen kommen, selbst am Telefon. Dass ein Teil der Linden in der Wilhelmstraße am Donnerstag gefällt wurden, macht die Zörbigerin emotional.

Sie berichtet auch von anderen Anwohnern, denen es ähnlich ging, denen die Fällarbeiten nahe gingen. Sie habe sich die Baupläne für das neu entstehende Wohngebiet in der Wilhelmstraße angesehen, die im Rathaus auslagen. „Ich würde mir wünschen, dass die Zörbiger bei so etwas aktiver werden“, sagt sie. Wenn nicht jetzt, dann beim nächsten Mal, sagt sie.

Linden waren Schattenspender für die Bewohner der Straße

Auch Eric Mühlpfordt findet es schade, dass die alten Linden weichen müssen, die bisher in der Straße standen. „Ich bin mit den Bäumen groß geworden“, sagt er. „Sie binden CO2 und ziehen außerdem das Wasser vom Haus weg.“ Die breiten Kronen hätten, gerade im Sommer, auch ordentlich Schatten gespendet. Mühlpfordt geht nun davon aus, dass es in den Dachgeschossen künftig um einiges wärmer werden wird.

Er weiß aber auch, dass die Meinungen in der Straße zu den Bäumen geteilt sind: So, wie es Anwohner gibt, die sich über die Baumfällarbeiten ärgern, gebe es genug, die jetzt froh sind, dass die Bäume weg kämen. Keine Blätter mehr vor der Einfahrt, die gekehrt werden müssen, und kein Dreck.

Mühlpfordt sagt aber, dass es ein Fortschritt sei, dass die alten Gartenhäuschen auf dem Gelände abgerissen werden. Die Fläche hatte sich allerdings auch in ein Biotop vor der Haustür verwandelt: von Rehen über Fasanen und Vögel habe er dort viele Tiere beobachten können. „Die werden sich jetzt erst einmal wundern, wo die Bäume hin sind.“

Wurzeln der Bäume hatten zuletzt auch die Straße zerstört

In der Wilhelmstraße entsteht seit dem Beschluss des Zörbiger Stadtrates im Dezember 2020 Bauland. Hier sollen Ein- und Mehrfamilienhäuser entstehen. Dafür finden dort gerade Vorbereitungsarbeiten statt. Bauamtsleiter Andreas Voss erklärte auf Anfrage, dass die Linden dort auch von naturschutzrechtlicher Seite gefällt werden dürfen.

Die 80 Jahre alten Bäume hätten ihr Alter mittlerweile erreicht - und haben in der Straße auch für Schaden gesorgt. „Die Wurzeln haben gleich mehrere Betonplatten angehoben, und wir mussten dort auch Beton abfräsen“, so Voss. Als die Linden gepflanzt wurden, geschah das sehr nah an der Straße.

Seit zwei Jahren wird bereits ins Auge gefasst, aus der Brachfläche zwischen der Wilhelmstraße und den Bahngleisen Bauflächen zu machen, sagte der Bauamtsleiter weiter. Er verwies auch darauf, dass die Pläne im Rathaus auslagen sowie im Zörbiger Boten veröffentlicht wurden.

Ausgleichsflächen für die jetzt fehlenden Grünflächen werden ebenfalls angelegt, das ist baurechtlich vorgegeben. Unter anderem wird an der Grenze zur Bahnanlage eine Hecke angepflanzt, auch zwischen den künftigen Parkbuchten wird es Grün geben. Auf den 2,5 Hektar Fläche sollen nach dem Willen der Stadt 20 Häuser entstehen.

Die Linden werden von der Stadt noch weiter genutzt, wie Andreas Voss erklärte. Aus dem Hartholz werden Sitzbänke. Bis das passiert, lagern die Stämme auf dem Bauhof. Die Äste und Zweige hingegen werden zu Brennmaterial verarbeitet.

Mitteldeutsche Zeitung „ Bitterfelder Zeitung“, Zörbig/MZ von Andrea Dittmar, 05.02.2021

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