Kohlemillionen für alle?
Ministerpräsident diskutiert über Investitionen im Kreis
Der Wettbewerb um die Kohle-Milliarden vom Bund wird womöglich weniger konkurrenzbetont als zunächst angenommen. Das Land will die Gelder großzügig weiterreichen. Offenbar sollen alle Vorhaben, die Landkreise als passend einstufen, auch tatsächlich gefördert werden.
Das hat Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) den Kommunen am Donnerstagabend bei einem virtuellen Bürgerdialog in Aussicht gestellt. „Wenn Projekte die Kriterien der Förderrichtlinien erfüllen, ja“, bekräftigt er auf MZ-Nachfrage.
Insgesamt stellt der Bund den ehemaligen Kohleregionen im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes bis 2038 40 Milliarden Euro für Strukturwandel-Investitionen zur Verfügung. 1,68 Milliarden davon kann Sachsen-Anhalt vergeben. Wohin das Geld fließen soll, hat die Landesregierung nun auch mit Bürgern aus Anhalt-Bitterfeld besprochen.
„Strukturwandelmaßnahmen haben sie hier in Anhalt-Bitterfeld bereits“
Bei der eigenes für den Landkreis veranstalteten Videokonferenz standen neben Haseloff auch Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne), Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) und Staatskanzlei-Chef Rainer Robra (CDU) Rede und Antwort. Rund 40 Bürger und Interessenvertreter wählten sich ein, diskutierten, stellten Fragen. Etwa zu Wasserstoffinvestitionen, einer Sonderwirtschaftszone und den Chancen von Die Minister antworteten - und ließen durchblicken, dass sie den Landkreis schon vergleichsweise gut aufgestellt sehen. „Strukturwandelmaßnahmen haben sie hier in Anhalt-Bitterfeld bereits“, sagt etwa Willingmann. Im Bitterfelder Chemiepark seien große Firmen aus zukunftsträchtigen Branchen angesiedelt.
Haseloff pflichtet bei, dass der Fokus nun vor allem auf dem Ansiedeln von Fachkräften liegen müsse. Beim Fördern habe der Kernbereich Wirtschaft zwar „absolute Priorität“. Dazu gehöre es aber eben auch, attraktive Lebensbedingungen zu schaffen, um benötigte Arbeiter zu locken und zu halten.
Projektideen erhofft das Land sich auch von den Bürgern
Projektideen, die dazu beitragen, erhofft das Land sich auch von den Bürgern. Ausgehend von Diskussionsrunden wie dieser könnten sie sich zusammenschließen und Vorhaben an Landkreis oder Ministerien herantragen. Zuarbeiten aus dem Bürgerdialog sind „für uns die Voraussetzung dafür, dass wir genug Futter haben“, sagt Haseloff.
Zunächst sollen aber andere Vorhaben gefördert werden. Bereits letzten August hatte die Staatskanzlei 41 etatreife Projekte von den Landkreisen gesammelt. Für den Altkreis Bitterfeld-Wolfen stehen das Bioenergiedorf Neu-Muldenstein, die Erweiterung des Wolfener Spaßbads Woliday und der Bau einer innovativen Kita in Roitzsch auf dieser Liste.
Aus dem Altkreis Köthen sind es die Erschließung der Gewerbefläche an der B6n, die Quartiersentwicklung Rüsternbreite und die Stärkung des Kompetenzzentrums Algenbiotechnologie an der Hochschule.
Schon jetzt hat der Kreis über 70 neue Projektideen gesammelt
Das nötige Geld für diese Vorhaben hat sich Sachsen-Anhalt bereits im aktuellen Bundeshaushalt blocken lassen. Nun müssen Kommunen und Träger die entsprechenden Anträge bei den Bewilligungsbehörden einreichen - etwa bei der Investitionsbank. Am Ende hat der Bund ein Veto-Recht. Aber: Beim Land geht man davon aus, dass alle 41 Projekte von der Liste gefördert werden.
Und grundsätzlich sollen offenbar auch in Zukunft sämtliche von den Landkreisen weitergeleiteten Vorhaben ihr Geld bekommen. Die Kreise könnten damit zum Nadelöhr für Projekte werden. In Anhalt-Bitterfeld entscheidet ein dort angesiedelter Steuerzirkel über die Förderwürdigkeit - nach den Richtlinien des Landes. Hier sind unter anderem Vertreter der Kreistagsfraktionen, der Industrie- und Handelskammer und der Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft (EWG) vertreten.
Schon jetzt hat der Kreis über 70 neue Projektideen gesammelt. Diese könnten auf einer zweiten Liste landen, die das Land bis Mai zusammenstellen will, um Gelder für den kommenden Bundeshaushalt anzumelden. Kann Anhalt-Bitterfeld dann beliebig viele Projekte einreichen?
Zusätzliche 3,12 Milliarden Euro aus dem Kohlefonds investiert der Bund selbst in Sachsen-Anhalt
Laut Staatskanzlei gibt es derzeit kein Limit. Man geht aber davon aus, dass die Zahl der Projekte allein durch den aufwendigen Antragsprozess und die überschaubaren Kapazitäten der Kommunen begrenzt wird. Doch: „Wenn wir in die Situation kommen, entscheiden zu müssen, werden wir eine Priorisierung treffen müssen“, sagt EWG-Geschäftsführerin Elena Herzel. Themenbezogene Aufrufe für Projektideen zu Digitalisierung und innovativen Kitas plant das Land ebenfalls.
Zusätzliche 3,12 Milliarden Euro aus dem Kohlefonds investiert der Bund selbst in Sachsen-Anhalt - vor allem in den Bereichen Straße und Schiene sowie Wissenschaft und Forschung. Diese Vorhaben bestimmt der Bund selbst. Das Land kann aber auch hier Vorschläge machen und beraten. Mit Geld aus diesem Topf soll etwa der Bitterfelder Bahnhof erneuert werden.
Mitteldeutsche Zeitung „ Bitterfelder Zeitung“, MZ-Web, von Tim Fuhse, 22.02.2021