Reaktivierung der Eisenbahnstrecke Bitterfeld – Stumsdorf im Personenverkehr?
Im Hinblick auf die Reaktivierung der Eisenbahnstrecke Bitterfeld- Stumsdorf im Personenverkehr (mit Verlängerung bis Köthen) fand am 3.11.2022 unter Federführung der Nahverkehrsservice GmbH (NASA) ein Erörterungstermin zur grundsätzlichen planerischen Prüfung statt. An dieser Beratung nahmen neben Landrat Andy Grabner und weiteren Mitarbeitern der Kreisverwaltung auch Vertreter betroffener kreisangehöriger Kommunen teil. Teilnehmer seitens der NASA waren Geschäftsführer Peter Panitz und Andy Neuschulz, Geschäftsbereichsleiter Verkehr und Infrastruktur.
Die Einstellung des Verkehrs zwischen Bitterfeld und Stumsdorf erfolgte im Dezember 2002 aufgrund eines auch unter Annahme optimaler Angebotsbedingungen zu geringen Nachfragepotentials.
Derzeit wird die Strecke im Abschnitt Bitterfeld – Zörbig im Güterverkehr als Anschlussbahn betrieben. Eine aktuelle Potentialschätzung zur Reaktivierung geht von einer durchschnittlichen Besetzung von ca. 300 bis 500 Reisenden täglich über den gesamten Streckenabschnitt aus. Der Nachfrageschwerpunkt liegt dabei zwischen Bitterfeld und Sandersdorf.
Damit liegt diese Strecke derzeit knapp unterhalb des Schwellwertes für eine mögliche Reaktivierung. Auch erfordert die Ertüchtigung der Infrastruktur weitere Investitionsmittel sowohl zur Herstellung der durchgängigen Befahrbarkeit als auch zur Anhebung der Streckengeschwindigkeit, um attraktive und konkurrenzfähige Reisezeiten im Vergleich zum Individualverkehr zu ermöglichen.
Zuletzt wurde die Strecke mit ca. 50 km/h befahren. Seitens des Landkreises Anhalt-Bitterfeld wurde angemerkt, dass sich die Rahmenbedingungen seit der Einstellung des Betriebes geändert haben und es inzwischen ein Verkehrsbedürfnis zwischen Bitterfeld und Köthen unter anderem durch die Zusammenführung der Altkreise Köthen und Bitterfeld gibt.
Weiterhin wirkt der Zuzug aus den Zentren Halle und Leipzig positiv auf den Landkreis und auch mit der Einrichtung des neuen Großforschungszentrums in Delitzsch ist mit erhöhter Verkehrsnachfrage zu rechnen.
Die derzeit parallel verlaufende B183 ist in ihrer Kapazität erschöpft. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass ein regelmäßiger Austausch hierzu erfolgen soll, um das Projekt weiter zu entwickeln.
Die NASA sicherte zu, die vorliegende Potentialabschätzung unter Einbezug der neuen Rahmenbedingungen zu überarbeiten bzw. zu aktualisieren.
Am 1. Oktober 1897 fuhr zum ersten Mal eine Bahn offiziell über die ca. 20 Kilometer lange Gleisstrecke zwischen Bitterfeld und Stumsdorf. Mehr als acht Jahrzehnte herrschte ein reger Reise- und Güterverkehr. Für Berufspendler in das Kohle- und Chemierevier von Bitterfeld und Wolfen, aber auch für zahlreiche Landwirtschaftsbetriebe sowie Tagebau- und Industrieunternehmen galt die Nebenstrecke als unverzichtbar. Nach 1990 kam der Güterverkehr gänzlich zum Erliegen. Ende 2002 fuhr dann der letzte Personenzug. Nach gescheiterten Übernahmebemühungen durch private Eisenbahnunternehmen setzte sich die Stadt Zörbig für den Erhalt der Bahnstrecke ein und gründete 2005 eine kommunale Infrastrukturgesellschaft. Am 11. August 2005 fuhr wieder der erste Güterzug zwischen Bitterfeld und Zörbig.
Im Volksmund wurde die Bahn „Saftbahn“ genannt, da sie Zuckerrübensirup transportierte.
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Mitteilungsblatt des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, Jahrgang 16 • Ausgabe 23 • Freitag, 02.12.2022