Das umzingelte Dorf
ENTWICKLUNG Am Gewerbegebiet „Stakendorfer Busch“ sollen Gleisanlagen ausgebaut werden. Dem stimmte der Stadtrat nun zu – aber gegen eine Weiche. Wieso?
Der Stadtrat Sandersdorf-Brehna hat den Bebauungsplan eines Gewerbegebietes im Norden der Stadt angepasst – und eine zusätzliche Änderung daran vorgenommen. Diese Art von Nachricht ist in den meisten Fällen keine große Angelegenheit, doch in diesem Fall ist es anders. Denn es geht um die Lebensqualität der Bewohner eines Dorfes, die sich von Industrie umzingelt sehen.
Das kleine Örtchen Heideloh liegt nur wenige hundert Meter von der A9 entfernt. Ortsbürgermeisterin Martina Schuckelt (parteilos) kann davon ein Lied singen. „Die Autobahn ist immer sehr laut“, sagt sie. Und dabei bleibt es nicht, denn Heideloh liegt noch viel näher an einer Zugstrecke, der altehrwürdigen „Saftbahn“, die Bitterfeld und Wolfen mit Zörbig verbindet.
Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen Pendler auf dieser Strecke in das Kohle- und Chemierevier fuhren. Doch Waren werden dort noch immer transportiert. Und davon nicht wenige, wie Martina Schuckelt berichtet. „Vor allem die Verbio-Züge haben in den letzten Monaten sehr zugenommen“, sagt sie. Teilweise dauere es fünf Minuten, bis einer ratternd die Ortschaft passiert habe. Und das teilweise mehrfach am Tag.
Als dann ihr Ortschaftsrat Mitte Dezember eine Beschlussvorlage zur Beratung aufnahm, staunte sie nicht schlecht. Denn darin ging es um die Zustimmung zu Plänen, die eine Erweiterung der Infrastruktur des Gewerbegebietes „Am Stakendorfer Busch“ vorsah. Inklusive eines neuen Industriestammgleises, das die Anlieger rund um die Papierfabrik mit der „Saftbahn“ verbinden soll. Samt einer Weiche, die nur wenige hundert Meter vom Ort entfernt entstehen sollte.
Der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte? Schuckelt betont: „Wir haben uns nie beschwert und sind auch dafür, dass das weiter entwickelt wird. Wir haben nichts gegen Industrie.“ Aber die Bewohner der Ortschaft machen sich Sorgen. „Wir sind hier umzingelt“, hält sie fest: die Autobahn, die Lichter der Papierfabrik, die Bahnstrecke. „Wir wissen ja nicht, was später aus der Weiche wird.“
Damit hat sich nun der Stadtrat auf seiner Sitzung am Mittwoch beschäftigt. Der vierte Entwurf des Bebauungsplanes „Am Stakendorfer Busch“ wurde gebilligt und damit auch die Erweiterung des Industriestammgleises. Und auch die Heideloher bekamen Gehör, denn eine große Mehrheit der Räte brachte einen Änderungsantrag zur Streichung der geplanten Weiche bei Heideloh ein, die am Mittwoch in den Beschlussvorschlag eingearbeitet wurde. Der Stadtrat stimmt diesem dann bei drei Enthaltungen mehrheitlich zu.
Martina Schuckelt und die Bewohner von Heideloh haben nun eine Sorge weniger. „Wir sind mit dem Beschluss zufrieden. Das ist in unserem Sinne“, sagt sie der MZ nach dem Stadtratsbeschluss.
Foto: MZ-Bericht vom 23.01.2023 |
Mitteldeutsche Zeitung „ Bitterfelder Zeitung“, Heideloh/MZ von Robert Martin, 23.01.2023