Die Zörbiger Saftbahn

Pressemeldung vom 29.04.2025


Saftbahn als Standortvorteil?

Derzeit wird eine Nutzung der strecke für den Personenverkehr in einer Machbarkeitsstudie geprüft. Doch welche Vor- und Nachteile hätte eine weitere S-Bahn-Strecke für die Region?

Derzeit wird eine Nutzung der Strecke für den Personenverkehr in einer Machbarkeitsstudie geprüft. Doch welche Vor- und Nachteile hätte eine weitere S-Bahn-Strecke für die Region?

Nach über 20 Jahren ohne Personenverkehr prüft Sachsen-Anhalt eine Wiederbelebung der „Saftbahn“ mit vier Varianten – darunter eine mögliche Verlängerung der S2 von Leipzig. Das Ministerium für Digitales und Infrastruktur sieht großes Potential in der Reaktivierung. Nicht zuletzt wegen wachsender Pendlerströme und des Erfolgs des Deutschlandtickets. Bei einem ersten Vor-Ort-Treffen mit einer Testfahrt wurde der Zustand der Strecke begutachtet. Perspektivisch sollen Personenzüge dort elektrisch unterwegs sein.
Doch was sagen diejenigen dazu, die vor Ort davon betroffen wären? Denn eine S-Bahn-Strecke würde, je nach Variante, bis zu drei Kommunen im Altkreis durchqueren – Bitterfeld-Wolfen, Sandersdorf-Brehna und Zörbig.

Was die Kommunen sagen
Im Wolfener Rathaus wird die Studie mit Interesse verfolgt. „Die Stadt Bitterfeld-Wolfen ist in den Prozess eingebunden und unterstützt die Erstellung einer Machbarkeits- und Potentialstudie“, sagt Stadtsprecher Detmar Oppenkowski und nennt einen Vorteil für die Stadt: „Bei Realisierung des Vorhabens würde unter anderem der Eisenbahnknoten Bitterfeld gestärkt werden.“
Sandersdorf-Brehnas Bürgermeisterin Steffi Syska (parteilos) sieht in der möglichen Reaktivierung der Saftbahn für den Personenverkehr vor allem eines: eine große Chance für ihre Stadt. Sie betont die direkte Anbindung an Bitterfeld und mögliche Direktverbindungen nach Leipzig oder Köthen – ein klarer Standortvorteil. „Es wäre eine Steigerung der Attraktivität des Wohn- und Arbeitsortes Sandersdorf“, so Syska. Gleichzeitig weist sie aber auch auf die Herausforderungen hin, die eine solche Reaktivierung mit sich bringen würde. So befürchtet sie; erhöhtes Bahnaufkommen durch Sandersdorf und Lärmbelastung der Anwohner“, auch könne der Bahnverkehr an den Übergängen den Autoverkehr stören. Hinzu kommt, dass aktuell keine ausgebauten Bahnsteige und keine Parkmöglichkeiten am Bahnhof existieren, was zunächst infrastrukturelle Investitionen erfordern würde.

Und in Zörbig? „Im Grundsatz stehe ich der Studie sehr ergebnisoffen gegenüber“, sagt Bürgermeister Matthias Egert (CDU) und nennt Vor- und Nachteile: „Positiv wäre natürlich das erweiterte Angebot im öffentlichen Nahverkehr. Als nachteilig betrachte ich vor allem, dass wesentliche Parameter nicht schon jetzt in die Studie einbezogen werden.“ Die Studie gehe von einer vollständigen Elektrifizierung der Strecke und einer Geschwindigkeit von 80 Stundenkilometer aus – „das ist mit dem derzeitigen Streckenprofil nicht umsetzbar und verursacht immense Kosten für die Herrichtung der Strecke“, so Egert.

Zudem fehle es an jeglicher Personenverkehrsinfrastruktur, da Bahnhöfe privatisiert und Einstiegsmöglichkeiten nicht vorhanden sind. So müssten barrierearme Zugänge geschaffen und sämtliche Bahnübergänge technisch aufgerüstet werden, was zu längeren Wartezeiten auf wichtigen Verkehrsadern in Zörbig führen könnte. Auch berichtet er von Bedenken der Anwohner, deren Häuser direkt an der Strecke liegen.

Das sieht auch Mona Wisotzki so, die in Großzöberitz neben dem ehemaligen Bahnhof und damit and er Strecke wohnt. Sie befürworte die S-Bahn-Idee, weil sie damit Hoffnung habe für die Ertüchtigung der Strecke. Denn: Der Güterverkehr hat zugenommen. Die Züge fahren mit lautem Poltern durch die Ortschaft direkt an meinem Haus vorbei.“ Die Gleise seien in einem desolaten Zustand, Schwellen und Schienen seien abgenutzt, „Weshalb es zu lauten Fahrgeräuschen kommt“. Seit der Reaktivierung sei nicht in das Gleis investiert worden. „Daher wünsche ich mir den baldigen Ausbau der Infrastruktur“, sagt sie.

Was sagt der Kenner?
Sebastian Herbsleb ist nicht nur Leiter der Arbeitsgemeinschaft Modellbahn des Fördervereins Gut Mößlitz du organisiert regelmäßig Modellbahnausstellungen, sondern beschäftigt sich als Betreiber der Webseite „Die Zörbiger Saftbahn“ auch seit Jahren mit der Geschichte und dem Erhalt der Bahnstrecke Bitterfeld-Stumsdorf. Für ihn ist klar: „Die Landesregierung hat erkannt, welches Potential sich in den letzten Jahren entwickelt hat und sich perspektivisch entwickeln kann.“
Er ist überzeugt, dass die Bahnstrecke auch ohne Oberleitung und damit besonders intensive Investitionen genutzt werden könnte. „Kommt die Studie zum Ergebnis, auf die Oberleitung zu verzichten, könnten zumindest moderne Elektrotriebzüge mit Akkubetrieb die Saftbahn befahren.“

Herbsleb kann neben aller Begeisterung auch nachvollziehen, dass Anwohner Sorge vor Lärm und geschlossenen Bahnübergängen haben. „Deswegen ist im Vorfeld einer geplanten Streckenreaktivierung die Kommunikation mit der Bevölkerung und Politik deutlich zu intensivieren, um Skepsis und Vorbehalte zu überwinden. Eisenbahn muss erklärt werden, um Einsicht und Verständnis zu erzeugen“, findet er.
Der Eisenbahn-Kenner ist für das Vorhaben: „Die Saftbahn-Revitalisierung wäre ein enormer Imagegewinn für die Anrainerkommunen und der gesamten Region." Das sei auch wichtig, „weil sich ländliches Wohnen mit guter Erreichbarkeit der Großstadt verbinden" lasse. Diese Sichtweise vermisse er vor Ort aktuell noch.

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Foto: 
Mitteldeutsche Zeitung Bitterfeld, Ausgabe 29.04.2025
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Mitteldeutsche Zeitung Bitterfeld, Ausgabe 29.04.2025
 

Mitteldeutsche Zeitung, Bitterfeld/Zörbig/MZ, von Robert Martin, Ausgabe: 29.04.2025

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