Das etwa 30 Kilometer südlich von Köthen und Dessau gelegene Gebiet wurde in den Jahren 1815/16 Bestandteil der neu gegründeten preußischen Provinz Sachsen. Landstädte wie Jessnitz, Bitterfeld, Zörbig und Radegast waren für dieses Territorium charakteristisch.
Relativ früh kam in diesem Teil der Provinz Sachsen der Bahnbau in Gang. So nahm die Magdeburg-Köthen-Halle-Leipziger Eisenbahn die Strecke Köthen (Anh.) - Stumsdorf - Halle (S.) am 22. Juli 1840 in Betrieb. Von Dessau aus erreichte der erste Zug am 17.August 1857 die Kleinstadt Bitterfeld. Die hier aktive Berlin-Anhalter Eisenbahn baute Bitterfeld innerhalb von zwei Jahren zu einem Bahnknoten aus. Bereits am 1. Februar 1859 wurde der Eisenbahnverkehrs von Bitterfeld nach Leipzig, Halle (S.) und Wittenberg aufgenommen.
Eine noch eindrucksvollere Entwicklung begann in der Bitterfelder Region. Innerhalb weniger Jahre mauserte sich die Kleinstadt zu einem beachtenswerten Industriestandort, wobei man hier bereits 80.000 Tonnen Kohle gefördert- diesen Prozess beschleunigten.
Mit Eröffnung der Strecke Köthen - Halle (S.) hatten sich die Verkehrsverhältnisse auch für die Kleinstadt Zörbig gebessert, war doch der Bahnhof Stumsdorf nur fünf Kilometer entfernt. Bis dahin hatte der im 10. Jahrhundert im Schatten einer Burg entstandene und um 1200 zur Stadt erklärte Ort kaum Bedeutung. Lediglich am Ende des 17. Jahrhunderts diente er kurze Zeit als Residenzstadt des Herzogs von Sachsen-Merseburg. Das beginnende Industriezeitalter führte allmählich zum Niedergang des Handwerks als damals einziger Wirtschaftsfaktor für Zörbig, denn die Massenerzeugnisse aus den Fabriken drückten die Preise. Hinzu kam, dass mit Inbetriebnahme der Fernbahnteilstrecke Köthen - Halle(S.) und des Bahnknotens Bitterfeld der bis dahin rege Fuhrwerksverkehr durch Zörbig letztendlich nur die Landwirtschaftlich. Dich schon bald entwickelte sich die Stadt zu einem kleinen Industriestandort. Bereits 1851 nahm eine Zuckerfabrik ihren betrieb auf, die bereits 1865 insgesamt 165.000 Zentner Rüben verarbeitete. Bald folgten eine Orgelbauanstalt, zwei Segeltuchwerke (1871 und 1875), eine Lederfabrik (1860) und eine Schuhfabrik. Damit wuchs die Einwohnerzahl in der Kleinstadt stetig.
Um den erhöhten Verkehrsbedürfnissen gerecht zu werden, wurde der nahegelegene Bahnhof Stumsdorf Schritt für Schritt erweitert. Das hier für die Abfertigung von Personen und Gütern ursprünglich errichtete einfache Bretterhaus ersetzte man bereits um 1842 durch ein massives Bahnhofsgebäude. Zudem wurden im Laufe der Jahre die Gleisanlagen erweitert. Als besonderes Ereignis ging in die Stumsdorfer Ortschronik der Besuch des Königs Friedrich Wilhelm IV. Im Jahre 1848 ein. Hoheit traf mit seiner Gemahlin aus Richtung Halle (Saale) auf dem Bahnhof Stumsdorf ein und musterte die Bürgerwehren und die Zörbiger Schützengilde, unterhielt sich mit dem Schützenhauptmann Otto und dem Buchbinder Schaaf aus Zörbig. Doch ein Bahnanschluss für Zörbig stand damals noch nicht zur Diskussion.
Erst im Sommer 1865 bemühte man sich ein "Bahnkomitee" um den Bau einer normalspurigen Eisenbahn von Köthen über Radegast und Zörbig nach Bitterfeld. Streitigkeiten über die Linienführung und die Finanzierung führten schon bald zum Scheitern des Projektes. Schließlich beabsichtigte die "Muldenthal-Eisenbahngesellschaft" im Jahre 1873 eine Strecke Eilenburg - Bitterfeld - Köthen zu errichten. Infolge finanzieller Schwierigkeiten und entgegenstehender Konzessionsrechte der Magdeburg - Halberstädter Eisenbahngesellschaft mussten auch diese Pläne zu den Akten gelegt werden. Gleiches traf für eine ebenfalls in jener Zeit vorgesehene Linie Bad Düben - Bitterfeld - Könnern zu.
Die am 12. Juni 1878 reichsweit erlassene Bahnordnung für Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung ermöglichte einen kostengünstigeren Streckenbau und -betrieb in weniger dicht besiedelten Gebieten. Das neue Gesetz dürfte die Bürgermeister der Städte Zörbig und Radegast veranlasst haben, im Juni 1881 ein neues Eisenbahnkomitee zu gründen, dem neben einigen Guts- und Braunkohlengrubenbesitzern auch andere Bahninteressenten angehörten. Tatsächlich konnten die Komiteemitglieder die preußische Staatsregierung von der Notwendigkeit eines Bahnanschlusses überzeugen. Am 30. Juni 1881 stellte das Ministerium der öffentlichen Arbeit für Vorarbeiten einer Eisenbahnlinie 2000 Mark zur Verfügung. Zu diesem Zeitpunkt lief die Verstaatlichung der großen Privatgesellschaften in Preußen auf Hochtouren. Bereits ein Jahr später erhielt die damals für dieses Gebiete zuständige Königliche Eisenbahn-Direktion (KED) Erfurt den Auftrag, eine normalspurige Sekundärbahn von Bitterfeld über Zörbig nach Stumsdorf zu projektieren. Am 04. April 1884 genehmigte der preußische Landtag den Bau und Betrieb dieser Linie endgültig.
Die Hoffnungen auf einen zügigen Bahnbau zerschlugen sich jedoch schnell, da die KED Erfurt kurzfristig zusätzlich eine Zweigbahn von Zörbig über Radegast nach Köthen in ihr Planungsprogramm aufgenommen hatte. Diese Bestrebungen unterstützten Mitglieder eines in Köthen gegründeten "Gemeinnützigen Vereins". Das damit wesentlich erweitere Projekt erforderte nicht nur mehr Geld, sondern auch eine zusätzliche Konzession durch das benachbarte Herzogtum Anhalt, Ausreichende finanzielle Mittel waren aber innerhalb von zehn Jahren für die vorgesehene Normalspurverbindung nicht aufzubringen, so dass man sich 1894 zum Bau einer 750-mm Bahn zwischen Köthen, Radegast und Zörbig entschied.
Jetzt endlich verfolgten die Preußischen Staatseisenbahnen das 1884 genehmigte Projekt Bitterfeld - Zörbig - Stumsdorf weiter. Aber selbst hier mussten erneut Verzögerungen in Kauf genommen werden. So war ursprünglich vorgesehen, die Trasse über Glebitzsch zu führen. Die Gutsbesitzer dieser Gegend wollten aber jedoch kein Land zur Verfügung stellen. Außerdem waren die von der künftigen Linie berührten Gemeinden verpflichtet worden, sich am Bau der Nebenbahn mit insgesamt 100 000 Mark zu beteiligen. Da sich die Bereitschaft, diese Summe aufzubringen, sehr in Grenzen hielt, wäre der Bahnbau fast gescheitert. Die an der Strecke besonders stark interessierte Stadt Zörbig stellte dann in "letzter Minute" 85 000 Mark zur Verfügung. Hinzu kamen 25 000 Mark von örtlichen Bahninteressenten. Im Verlaufe des Jahres 1895 konnten die Verhandlungen über den Grunderwerb beendet werden. Nun stand dem Bahnbau ab 1896 nichts mehr im Wege.
Aufgrund der denkbar günstigen topographischen Verhältnisse im Westen des Kreises Bitterfeld konnte die 20,48 Kilometer lange Strecke innerhalb eines Jahres fertiggestellt werden.
Parallel zum Streckenbau begannen die Arbeiten im Bereich der Stationen Grube Antonie, Sandersdorf, Heideloh, Tannepöls (seit 1936 Großzöberitz) und Zörbig. Zum teil entstanden massive Empfangsgebäude im preußischen Einheitsstil, wie sie auch in Hessen zu finden sind. Neben Dienst-, Gepäck- und Warteräume wurden Wohnräume für Bahnbedienstete erbaut.
Am 28. September 1897 konnte die Strecke von den zuständigen Behörden landespolizeilich abgenommen werden. Wesentliche Mängel wurden dabei offensichtlich nicht festgestellt, denn drei Tage später konnte die Bahn feierlich in Betrieb genommen werden. Zunächst verkehrten auf der Gesamtstrecke täglich vier Zugpaare.
Bis 1911 kam ein fünftes Zugpaar hinzu. Während im Personenverkehr vorzugsweise Berufspendler zu befördern waren, herrschte im Güterverkehr der Transport von Kohle und landwirtschaftlichen Produkten vor.
Mit der durchgängigen Inbetriebnahme der bereits erwähnten Schmalspurbahn von Köthen (Anh) über Radegast nach Zörbig am 9. August 1898, die ab 1899 als Dessau - Radegast - Köthener Bahn (DRKB) firmierte, stieg das Güteraufkommen weiter an. Zur wirtschaftlichen Bedienung der Zuckerfabrik Radegast verlegte die DRKB ein drittes Gleis zwischen Zörbig und Radegast, das am 17. September 1910 in Betrieb genommen werden konnte. Fortan war es möglich, normalspurige Güterwagen mit Schmalspurlokomotiven von und bis Radegast zu transportieren.
Schon lange zeit vorher strebte man an die Bahnstrecke Bitterfeld - Zörbig - Stumsdorf über Plötz und Löbejün nach Könnern zu verlängern, denn das gebiet was sich der Bahn erschloss, hatte sich vorteilhaft entwickelt. Das Steinkohlewerk in Plötz, das nach dem Krieg mehr Arbeiter beschäftigte und große Absatzmöglichkeiten hatte, wollte die Bahn als schnelles Transportmittel nutzen.
Ein Versuch die Reichsbahndirektion Halle und Magdeburg für den Ausbau der Staatsbahn Bitterfeld - Stumsdorf bis Könnern zu interessieren, waren gescheitert, da in absehbarer Zeit infolge der Veränderungen der Reichsbahn wegen außenpolitischer Abmachungen nicht möglich war, neue Strecken zu bauen.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wirkten sich auch auf die Strecke Bitterfeld - Stumsdorf aus. Beispielsweise führte akuter Kohlemangel dazu, dass vom 5. bis 14. November 1919 nicht ein einziger Personenzug verkehrte. Erst nach der Inflation stabilisierte sich das Verkehrsangebot wieder. Mit Übernahme der Länderbahnen durch die neu gegründete Reichsbahn wurden für die "Saftbahn" neben der Reichsbahndirektion Halle (Saale) das Maschinenamt Wittenberg, das Betriebsamt Wittenberg und das Verkehrsabrechnungsamt Dessau zuständig.
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Fahrplan aus dem Reichkursbuch Winter 1929/1930
Im Rahmen der Aufrüstung im Dritten Jahr baute die Deutsche Reichsbahn bis 1939 den Güterbahnhof Bitterfeld weiter aus. Neben dem ständig steigenden Kohleverkehr waren von hieraus zahlreiche Industriebetriebe zu bedienen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs musste der Zugverkehr immer weiter reduziert werden. Er kam schließlich Mitte April 1945 völlig zum Erliegen.
Foto:
Dampflokomotive der BR 74 mit "1000 Türen" Wagen am Haken. Das Foto entstand wahrscheinlich zwischen Stumsdorf und Zörbig, nahe Zörbig.
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